Das
Karawanen-Tagebuch: |
Sonntag 15.5. |
Die Fahrradkarawane "Geld oder Leben ?" von Prag/Dresden nach Köln ist jetzt seit ein paar Tagen unterwegs. Gestern ist sie mit ca 25 bis 30 RädelsführerInnen und einem Zugführer (LKW+Küchenwagen) in Leipzig angekommen. Der Weg führte über die Fascho-Hochburg Wurzen, dort gab es eine Podiumsdiskussion und eine kleine Demo, die ohne Zwischenfälle verlief. Dann gab es jedoch unerwarteterweise in Leipzig noch eine Auseinandersetzung mit Faschos, bei der es zu leichten Verletzungen und Schäden an Fahrrädern kam. In Leipzig soll heute eine Reclaim the Streets Party stattfinden. Morgen gehts dann nach Halle mit Aktionen zum Thema Rassismus. Auch von Berlin aus wird heute um eine Teilkarawane starten, um am Dienstag in Magdeburg mit der anderen zusammentreffen und dann gemeinsam nach Köln weiterzureisen. Die Vorbereitungsgruppe rechnet mit ca 15 Radlern, die Strecke über Potsdam und Brandenburg mitfahren, und hofft auf viele weitere, die sie in Berlin noch ein Stück begleiten. Dazu wurde eine Critical-mass-Aktion angekündigt. Von den vielen Aktionen an den Stationen der Karawane sind zwei besonders hervorzuheben, da sie auch überregional bedeutsam sind und an der sich wegen Wochenende auch Leute beteiligen können, die durch Arbeit und andere Widrigkeiten dran gehindert sind bei der Karawane mitzufahren. Am und um den Pfingstsamstag, den 22.5 werden in Hannover viele Ereignisse zusammentreffen. Außer unserer Karawane wird am Freitag abend auch noch eine Anti-AKW-Radtour von Göttingen nach Stade eintreffen. An der Lutherkirche gibts dann ein Freilichtkino mit Filmen zur EXPO. Samstags werden wir uns am Innenstadtaktionstag gegen EXPO, Vertreibungspolitik und Ausgrenzung beteiligen. Abends gibt es auf dem Bauwagenplatz Helmke eine 8-Jahre-Jubiläums-Party. Sonntagmorgens gibt es dann ein Widerstandsfrühstück in der Kornstraße mit anschließender Diskussion über EXPO- und Gipfelsturm zwischen Kampagne und Bewegung. Bielefeld: Dort wird es am Pfingstmontag eine Reclaim-the-Streets Party geben nach dem Motto "Lacht kaputt,was euch kaputt macht". Treffpunkt um 15.00 Uhr am Bahnhof.Dort werden wir uns auch mit ca 50 Menschen der InterContinental Caravan (ICC) treffen, die uns dann am folgenden Tag mit ihrem Bus nach Münster begleiten wollen. Die ICC ist eine Europatour von ca 400 indischen und ca 100 südamerikanischen widerständischen Kleinbauern, die von Peoples Global Aktion (PGA) mitorganisiert wird. |
Die Fahrradkarawanen aus Dresden und Berlin sind in Magdeburg angekommen, und nutzen den freien Tag, sich zusammenzufinden, zur Erholung, zur Nachbereitung des Geschehenen und zur Vorbereitung des Kommenden. In Berlin kamen bei strahlendem Sonnenschein ca 100 RadlerInnen zu einer Critikal mass um 13 Uhr am Brandenburger Tor zusammen, mit der die Karawane ihre erste Etappe nach Potsdam startete. Critical mass ist eine verkehrsberuhigende Maßnahme und heißt, daß soviel Masse an RadfahrerInnen zusammenkommt, daß sie das Bild und die Geschwindigkeit des Verkehrs bestimmen können. Anfangs verlief alles ganz friedlich, doch ab Kuhdamm sammelten sich immer mehr grüngekleidete Leute mit weiß-grünen Motorrädern und vergitterten Kleinbussen um die RadlerInnenguppe, versuchten ihnen Vorschriften zu machen und zwangen ihnen ein Katz und Maus-Spiel durch Charlottenburg auf und sorgten für Zerstreuung.Schließlich nahmen sie ca 10 RadlerInnen gefangen und setzten sie in abgelegenen Gebieten von Berlin wieder aus. Die ca 15 Karawanenleute, die nach Potsdam wollten, trafen am Grunewaldsee wieder zusammen, um wie vorgesehen zu pickniken, doch von der Critical mass Begleitung war kaum noch jemand da und das war schon schade. Der Rest der Fahrt über Brandenburg nach Magdeburg lief ohne Polizei und ohne Politik, meist auf kleinen Straßen, aber mit viel Natur und wunderbarem Wetter. Der Dresdener Zweig (ca 30 ) hatte dagegen fast immer Polizeibegleitung, jedoch friedlich. Auch die RTS oder besser Spontandemo am Sonntag verlief ohne Auseinandersetzung. Am Montag gab es in Halle zusammen mit Leuten von der Karawane "Kein Mensch ist illegal" der Flüchtlinge und Immigranten eine Demo mit anschließendem Fest. Dienstag war für beide Zweige ein reiner Fahrtag mit langen Strecken von ca 90 km. Auch die Fahrt nach Braunschweig morgen wird lang, trotzdem wird es noch kleinere Aktivitäten geben (im SBZ ab ca 18 Uhr). Da einige Teilnehmer wieder zurückmußten, werden wir 35-40 sein, doch ab Braunschweig und besonders ab Hannover haben sich weitere MitfahrerInnen angekündigt. |
Am Donnerstagmorgen gelang uns eine ganz besondere Leistung: Wir (41 Leute) schafften es noch vor 10 Uhr loszufahren (Wecken um 7!!!). Das war auch nötig, weil die Strecke ca 90 Km lang war und in Braunschweig um 18 Uhr eine Fahrraddemo angesagt war und wir ja auch noch Pausen zum Essen, Trinken und Baden haben wollten. Ziemlich bald schon meldeten sich Polizisten, die uns unbedingt begleiten und absichern wollten. Sie waren aber recht kooperativ und gaben uns gute Ratschläge über den Straßenzustand und zeigten uns auch einen kleinen netten See für die Hauptpause. Die Landschaft durch die sie uns führten war sehr schön, aber bergig und so kamen wir doch etwas später. Dazu kam noch ein kleiner Unfall, ein Sturz bei dem sich eine Mitfahrerin einen Finger brach. So musste die Demo etwas auf uns warten, ging dann aber mit zusammen ca 100 TeilnehmerInnnen gut los. Hier kamen auch noch weitere MitfahrerInnen für die Karawane dazu. Es gab eine Kundgebung und ein Theaterspiel in der Innenstadt. Dann gings zu einem Fest / Konzert mit drei Lokalmatadoren (z.B. eine klasse Schülerband) auf der Braunschweiger Wagenburg, sehr schön gelegen übrigens. Am nächsten Tag sollte es dann nach Hannover gehen, allerdings wurde die Abfahrt durch verschiedene Gegebenheiten verzögert. Zum einen lag dies an der ganz natürlichen Trägheit der Masse, zum anderen an der Braunschweiger Polizei, die die Karawane beim Losfahren schikanierte, indem sie verlangte, auf dem Radweg zu fahren, bei 50 RadlerInnen absurd und auch nicht nach STVO (Bei Gruppen ab 16 Radlerinnen ist erlaubt nebeneinander auf der Straße zu fahren). Es stellte sich auch noch raus, daß es sich nur um einen Fußweg handelte. Ohne Vorwarnung wurden RadlerInnen, die sich nicht an diese an den Haaren herbeigezogenen Forderungen hielten, von den Rädern gestoßen. Mit einer unglaublichen Brutalität und Überheblichkeit, die auch anwesende PassantInnen schockierte und empörte (und nicht nur die !) wurde polizeiliche Gewalt ausgeübt. 2 Menschen wurden brutal mitgenommen und erkennungsdienstlich behandelt. Es dauerte über eine Stunde, bis sie wieder rausgelassen wurden und wir mit deutlich gedrückter Stimmung und auch mit deutlicher Verspätung an die Stadtgrenze geleitet wurden. Zum Glück wurde die Stimmung insgesamt wieder recht beschwingt, auch wenn keine Zeit für längere Pausen, z.B. zum Baden, waren. In Hannover wurden wir an der Stadtgrenze sehr herzlich von einigen HannoveranerInnen mit Trecker empfangen. Nach einer warmen Mahlzeit gab es dann Freiluftkino mit drei sehenswerten Filmen zur EXPO 2000. Zb der Bewerbungsfilm Deutschlands als Standort für die EXPO, der mitlerweile etwa 10 Jahre alt ist. Ein wirklich sehr deutliches Dokument, in dem Deutschland als kulturell führende, technisch fortschrittliche und erfahrene Nation präsentiert wurde, geeignet zur Austragung der Weltausstellung zum Thema "Mensch, Natur und Technik". Ein weiterer Film legte in Interviews mit führenden EXPO Ausstellern/Organisatoren nahe, dass globle Lösungsansätze stets an die herrschenden Verhältnisse anknüpfen und auf Verwertbarkeit und Globale Marktwirtschaft aufbauen müssen, einem Wettlauf in dem es eben nicht nur Gewinner geben könne. Schliesslich sei die Globalisierung ein Naturgesetz, an das es sich anzupassen gelte. Heute dann eine Fahrraddemo
(ca 70 Teilnehmer) als Rundfahrt zu den verschieden EXPO-nierten Plätzen
in Hannover, an denen jeweils kurze Kundgebungen gehalten wurden. Die
Karawane war nicht ganz vollständig vertreten, da einige doch noch etwas
Schlaf nachholen mußten. Dennoch war die Stimmung gut. Stress gab es wegen
einer Sachbeleidigung (ein billiger Aufkleber wurde auf ein teures Auto
geklebt), doch blieb es bei einer Personalienfeststellung. Von der Südkarawane
kam die gute Nachricht, daß sie gut in Basel gestartet und über die Grenze
gekommen sind. Untergebracht wurden wir auf dem Wagenplatz Helmke, zu
dessen 7-jähriges Bestehen jetzt ein großes Fest gefeiert wird. |
Trotz der Fete in der Helmkestraße, die noch bis lang in die Nacht hörbar war, sind wir heute früh aufgestanden und sogar schon vor neun losgefahren, allerdings ohne Frühstück. Das sollte es im UJZ Kornstraße geben und auch eine Diskussion über die Kölner Gipfel und die EXPO und die Karawane. Nebenbei wurden noch Schweißarbeiten am LKW ausgeführt. Auch konnten wir ein Fax empfangen mit einem Gerichts- beschluß zum Verfahren gegen den Autofahrer und NPD-Anhänger, der bei der Antifa-Demo in Rostock 98 einen Menschen angefahren und lebensgefährlich verletzt hatte. In diesem Beschluß wurde das Verfahren an eine untere Instanz mit beschränktem Strafmaß zurückverwiesen und eine Empfehlung ausgesprochen, das Verfahren gegen Zahlung von 2000 Mark einzustellen.Das hat uns sehr betroffen gemacht, da es sich bei dem Opfer des "Unfalls" um Holger handelt, den viele von uns kennen, da er die Karawane im letzten Jahr maßgeblich mit vorbereitet und sich sehr aktiv daran beteiligt hat. In der Diskussion ging es anfangs um eine Einschätzung der Demo am Samstag, der Innenstadtaktionstage und der Karawane. Obwohl sie zahlenmäßig nicht sehr groß war, wurde sie als qualitativ gut und ermutigend empfunden. Positiv wurde zB die gute Zusammenarbeit von unterschiedlichen Gruppen und bei der Karawane von verschiedenen Regionen gesehen. Es wurden Ansätze zu einer Bewegung sichtbar, die über einzelne Anlässe und Themenbereiche hinausgeht. Dann ging es um die Zusammenhänge der Gipfel mit der EXPO. Auf der EXPO werden zwar keine Beschlüsse gefasst, aber die ideologische Verpackung dieser herrschenden Politik produziert. Es werden Weltbilder geschaffen, die das Markt- Konkurrenz- und Leistungs-System als Naturgesetz und einzig mögliches darstellen und alle Vielfalt des Lebens als Leistung dieses Systems vereinnahmen. Zum Schluß ging es noch um die Übernahme von vormals "linken" Themen wie Antikapitalismus und die soziale Frage durch national-"sozialistische" Gruppen. Anlass dazu war ein Artikel in einer rechten Ideologiezeitschrift mit unserem Motto "Geld oder Leben ?" als Titel. Kontrovers wurde darüber diskutiert, ob wir solche Parolen deshalb nicht mehr verwenden sollten, ob sie dadurch falsch werden, ob wir sie uns nehmen lassen sollen.Einigkeit bestand dagegen darin, die Unterschiede zu den Rechten stärker hervorzuheben. Dann mußte wir uns aus Hannover verabschieden, weil wir um 16 Uhr ein Treffen mit den Grünen von Stadthagen mit Kaffee und Kuchen und Diskussion um den NATO-Einsatz vereinbart hatten. Wir waren wieder mehr geworden, jetzt ca 75 Leute, auch kamen zwei Treckergespanne aus Hannover dazu. Mit etwa einer halben Stunde Verspätung kamen wir in Stadthagen auf dem Marktplatz an und blieben bis ca 18 uhr. Kaffee und Kuchen war gut, doch in der Diskussion konnten wir uns nicht mit den Grünen einigen. Treffend fand ich die Tassen der Grünen mit dem Spruch "Auf den Inhalt kommt es an !" Der Inhalt war jedoch meist schwarz oder braun (je nach Milchgehalt), oder sie waren leer. Aus Stadthagen konnten wir noch ein paar Jugendliche entführen, zumindest bis Bielefeld wollen sie mitkommen. Die Erwartung der RTS in Bielefeld
bestimmte auch den Abend in Minden, wo wir im FKK (Freies Kultur und Kommunikationszentrum
oder ähnlich) eine Bleibe fanden. Es war zwar auch eine Turnhalle zm Schlafen
angemietet doch wir nutzten sie nur zum Duschen, da wir dort die Wägen
nicht abstellen durften. |
Am
Pfingstmontag war mal wieder frühaufstehen angesagt, um
rechtzeitig |
Wir sind schon in Bochum, haben jetzt aber nicht die Zeit weiterzu berichten.Weitere infos werden folgen... |