DER STANDARD        Mittwoch, 6. September 2000, Seite 4

Demos gegen Globalisierung: Prag probt den Ernstfall

STANDARD-Korrespondent Rainer Koch

Prag/Dresden - Prag steht der zeitweise Ausnahmezustand bevor - zumindest dem Stadtteil Pankrac. Dort befindet sich das gerade aufwendig modernisierte Kongresszentrum, in dem der Internationale Währungsfonds IWF ab 26. September seine Jahrestagung abhalten wird.

Dass der IWF erstmals im früheren Ostblock tagt, galt den Stadtvätern als besondere Ehre. Inzwischen dürfte sich mancher von ihnen fragen, ob man nicht hätte verzichten sollen. Zehntausende Gegner der Globalisierung haben sich angekündigt. Die Prager Polizisten erhalten mehr als 11.000 Kollegen aus der Provinz zur Verstärkung. Doch keiner ist im Umgang mit Massendemonstrationen geübt. Pessimisten sehen schon Barrikaden im Weichbild der City und fürchten Straßenschlachten zwischen Polizei und Demonstranten.

Um dem vorzubeugen, werden nun elf Jahre nach der samtenen Revolution die demokratischen Rechte teilweise ausgesetzt. Für den Stadtbezirk Pankrac sind schon in der Woche zuvor, während der Tagung selbst und am folgenden Wochenende sämtliche Protestaktionen kurzerhand untersagt worden.

Nur Unterstützung

Erlaubt wurde nur eine Aktion mit "Äußerungen zur Unterstützung der Tagung des IWF". Zu der, so heißt es im Rathaus, erwarte man nur "einige zwanzig Leute". Nicht nur IWF-Kritiker sind betroffen. Die Bewohner des Viertels am Kongresszentrum müssen ihre Autos anderswo parken, nach Hause kommt nur, wer stets den Personalausweis bei sich führt, Besuch kann zwei Wochen lang nicht empfangen werden. Zur Entschädigung wurde die längst fällige Reparatur von Bürgersteigen und Straßen versprochen.

Doch auch auf dem Wenzelsplatz und dem Altstädter Ring, den größten Plätzen im Zentrum, dürfen die Gegner der Globalisierung nicht protestieren. Kommen werden sie trotzdem, und dann könnte es in den ihnen noch zur Verfügung stehenden engen Gassen Prags dramatische Szenen geben. Für die IWF-Verantwortlichen sind das wenig verlockende Aussichten. Angeblich besteht für den Protesternstfall auch schon ein alternatives Szenario - kurzfristiger Umzug aller Tagungsteilnehmer nach Berlin.

© DER STANDARD, 6. September 2000

 

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